[Morgen ist's gewiß] [Das Leben ist ein Ringelspiel] [Wietses Aale]

Friedhelm Windt ist ein kleiner, aber bedeutender zeitgenössischer Philosoph und Dichter. Während sich sein Sohn, Franz Windt, des öfteren mit irgendwelchen Hasen herumschlägt, entfährt ihm beizeiten Großes. So zum Beispiel das romantische Liebesgedicht "Morgen ist's gewiß". Aber es gibt auch Neues von ihm: Einen Auszug aus seinem Seemannsgeschichtenband "Käptn Windts Seemannsgarn".

Morgen ist's gewiß

Zweifle, Mensch, nicht am Gesinde,
das dir gibt dein täglich Brot;
sei ein Teil vom Erdgebinde
und verzag nicht in der Not!

Was der Liebe dunkler Pfade
ureigenster Bestandteil ist,
hört man in der Hitparade,
die man montags stets vergißt.

Laß dir nun, mein Mädchen, sagen,
was manch Weiser vielen rät:
dem Papst platzt auch manchmal der Kragen,
wenn er Zigaretten dreht.

Doch auch ein Seitkopfstrudel braucht,
bevor er abends schlafengeht,
ein Buch, während er Pfeife raucht,
das er in Wort und Bild versteht.

Und wenn in Edens Wundergarten
auch manche böse Pflanze keimt -
ich liebe dich und will nicht warten,
auch wenn sich's manchmal gar nicht mit dem Reim ausgeht.


Das Leben ist ein Ringelspiel

Das Leben ist ein Ringelspiel,
auch wenn man's selber gar nicht will.
Und wär es keins, was wär gewonnen?
früher hätt es nicht begonnen.

Du willst jetzt eine Antwort haben:
Woran werd ich mich morgen laben?
Warum spiel ich so schlecht Klavier?
Soviele Fragen stellst du mir!

Wohin, fragst du, soll ich mich wenden?
Wohin, fragst du, soll ich jetzt gehen?
Ich könnte dich nach Mödling senden,
doch ich lasse dich hier stehen.


Wietses Aale

Kapitän Ivankow war ein alter Seehase. Er hatte die größten Luxusdampfer durch die Weltmeere geprielt und dabei so manche Lektion gelernt. Auch wußte er viel über seine Schiffe: Wo die Kanulleine war, wie die Predden hießen und wer zuletzt auf dem Achterhekel gesessen war. Eines Abends lud er Wietse, einen Freund, mit dem er vor aberzig Jahren die Kapitänsdiplomarbeit abgeklattet hatte, zum Abendessen in die Kajüte ein, die bei der alten Roggenwebel knapp unter den Reerfleugeln lag.

"Nun, alter Seefratt, freust du dich, mich zu sehen?"
Der wahrlich Alte grüßte nett, wenn auch mit verbitterten Nasenflügeln.
"Du wirst sagen, ich Dögenbeißer wäre wieder mit einer solchen Kniebslaune unterwegs, daß es eine Schande ist,", kam er Ivankow zuvor, "aber meine Klaradille macht mir Sorgen. Du weißt, vor einer Woche ist der gesamte Plansenwoll unter Wasser gestanden, und dadurch ist mir eine Ladung Triensen kaputtgeworden ..."
"Aber ich habe dir geholfen, das Wasser wieder über die Bragge zu kriegen, nicht?"
"Ja, natürlich, aber nun ist das ganze Schiff vom Steuerknaff bis zum Achterhekel voll mit Aalen."
"Mit Aalen?"
"Ja, mit Aalen. Ganz unbesnibbelbare Drecksviecher. Und sie werden immer mehr."
"Oi, oi, was machen wir denn da?" murmelte Ivankow und schenkte seinem Kumpel Wietse ordentlich Danneschnepel ein.
"Wir müssen den Kahn wrechten, anders geht's nicht." Wietse begann zu essen, ohne auf seinen Freund zu warten.
"Ich hab aber gar kein Wrechtholz. Kann man da nicht einfach mal drüberlietsen?" "Blödsinn! Doch nicht bei 'ner vierzig Jahre alten Klarrade!"
"Aber wenn man genug Zantenwachs nimmt ...?"
"Mann, du redest vielleicht wieder 'nen Splunnenbort! Wrechten, hab' ich gesagt. Und ohne Holz geht's auch."
"Wenn du meinst." resignierte Ivankow und riß sich ein Stück Quoggelbrot ab.

Am nächsten Morgen marschierte Ivankow gerade die Plaue ab, da entfuhr ihm ein Schrei:
"Du heiliger Joffenschiet! Was zum Wogelbesen ist denn hier passiert?!"
Vor ihm lag Wietses Klaradille. Sie ragte nur mehr zwanzig Zentimeter aus dem Wasser, die Läkerlöcher waren bereits unter dem Meeresspiegel, und an Bord lagen haufenweise Aale. Mittendrin saß Wietse und böttete seelenruhig seine Pfeife.
"Das ist aber jettil, daß du kommst. Ich dachte schon, der Danneschnepel hätte dir heute das Steuerkaneel versteckt." - "Ploddich! Und jetzt sag mir mal, was das für enorme Troser von Aalen sind! Die sehen aus wie Blauaale, aber sie haben Augen wie ausgewachsene Klederfriele!"
"Ist mir doch wurscht, wie die Joffen heißen. Raus damit; ich kann sie gar nicht mehr sehen."
"Wart mal." Käptn Ivankow griff in einen Haufen Aale und nahm eines der zappelnden Tiere in die Hand.
"Wenn das Klederfriele sind, dann ..."
"Was dann?"
"Dann brauchen wir Lachsspratt. Das können die nämlich gar nicht vermohlen."
"Und woher willst du den Lachsspratt nehmen? Und überhaupt: Da brauchen wir ja eine ganze Krodde voll!"
"Aber was! Da reicht doch ein Klühnchen, damit die abhauen!"
"Und das hast du, das Klühnchen?"
"Jawohl; auf der Roggenwebel hab ich sogar dreißig Kluhn, das reicht allemal."

Bald beugten sich Iwankow und Wietse über ein Faß Lachsspratt, das sie an die Plaue gerollt hatten.
"Puh, das stinkt ja wie tausend Flampen!" erregte sich Wietse.
"Sind ja auch schon lange tot, die Lachse."
"Jetzt laß mal mit deinem verquäuerten Humor, Käptn! Machen wir schnell, damit wir's hinter uns bringen!" Er verzog das Gesicht, dann nahm er ein halbes Dutzend Aale aus der Hosentasche und warf es verächtlich gegen die Meppwand.

Nach kurzer Zeit war das ganze Schiff eingewrechtet. Die Aale zeigten erst keine Reaktion, doch dann schienen sie sich immer tiefer in den Quost zurückzuziehen. "Die verknoten sich ja immer mehr!" bemerkte Wietse skeptisch.
"Wart erst mal ein Haggeminütchen; wirst schon sehen."
Und wirklich: Wie auf Befehl schossen die Fische durch die Backbordläker in die See. Sogar aus Ivankows Hosenbein kamen zwei gekneft, und die ganze Klaradille klotterte bei dem Radau. Schließlich waren alle Aale von Bord.
"Und kommt nur ja nie wieder zurück, ihr Prietsen, sonst mach ich Weezkjabbe aus euch!"
Endlich lachte Wietse wieder.
"Ha! Von wegen 'ne ganze Krodde voll Lachsspratt!"
"Ha! Von wegen, ohne Wrechtholz kann man nur drüberlietsen!"
"Ha, ha, alter Pregenknopp!"

Bald gingen die Freunde in die Bodegge, und bei Danneschnepel, Rum und Laukerwein erzählten sie sich Geschichten auch der Zeit, als sie noch gemeinsam auf der Schulwutte mit Jaulenbrieten Mauchelgräten gefriegt hatten.
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